Shoah in Frankfurt

Um 1930 lebten in Frankfurt am Main etwa 30.000 Menschen, die Mitglieder der beiden großen jüdischen Gemeinden waren. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden sie zunehmend entrechtet, beruflich und sozial diskriminiert, ihrer Existenzen beraubt und finanziell ausgeplündert, terrorisiert, gettoisiert und schließlich deportiert und ermordet. Nur etwa 600 als Jüdinnen und Juden verfolgte Frauen, Männer und Kinder aus Frankfurt überlebten die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager.

Novemberpogrom

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten und plünderten nichtjüdische Bürgerinnen und Bürger, SA-Leute, Hitler-Jugend und ein entfesselter Mob jüdische Einrichtungen, Wohnungen, Geschäfte, Praxen und Kanzleien. In Frankfurt wurden die drei großen Synagogen sowie Bethäuser im Innenstadtbereich und in den Stadtteilen angezündet und zerstört. Parallel begann die mehrtägige Verhaftungswelle von Juden im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Rücksichtslos, teils mit roher Gewalt wurden sie von Beamten der Geheimen Staatspolizei und der SS aus ihren Wohnungen, Häusern oder vom Arbeitsplatz geholt und zunächst in die Frankfurter Festhalle gebracht. Von diesem gefängnisgleichen Sammelpunkt wurden innerhalb weniger Tage etwa 3.000 Frankfurter Juden gewaltsam in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau verschleppt. Einige Männer überlebten die Haft nicht. Die Entlassung war an die abgepresste Zusage geknüpft, Frankfurt und das Deutsche Reich sofort zu verlassen. Daraufhin setzte eine Massenflucht ein.

Zwischen Dezember 1938 und August 1939, vereinzelt noch bis Oktober 1940, trafen jüdische Eltern im Deutschen Reich und in Österreich vereinzelt die schwere Entscheidung, ihre Kinder in Länder zu senden, die nicht von den Nationalsozialisten besetzt waren. Mehr als 20.000 Kinder und Jugendliche konnten so gerettet werden – zumeist nach Großbritannien, das allein etwa 10.000 junge Menschen aufnahm. Im südwestdeutschen Raum fungierte Frankfurt als Zentrum der Kinderemigration, die zumeist von der Jüdischen Wohlfahrtspflege organisiert wurde.

Gettoisierung

Ab 1939 wurden die in Frankfurt verbliebenen Menschen, meist Betagte und Kranke, Waisenkinder, Gemeindepersonal und jüdische Partner aus konfessionell gemischten Ehen zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen gezwungen. Es folgten mehrfache Umzüge, bis sie in überbelegte „Gettohäuser“ oder ehemalige jüdische Wohlfahrtsinstitutionen eingewiesen wurden. Mehr als 300 solcher Adressen sind für Frankfurt bekannt, die meisten lagen zuletzt im Ostend.

Deportationen

Ab Oktober 1941 organisierte die Geheime Staatspolizei in Frankfurt die gewaltsame Verschleppung von als jüdisch verfolgten Frauen, Männern und Kindern „nach Osten“ – in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager. Dazu mietete sie den Keller der Großmarkthalle von den städtischen Marktbetrieben an.

Die erste Massendeportation fand am 19. Oktober 1941 statt. Mehr als 1.100 Menschen, zumeist wohnhaft im Frankfurter Westend, wurden am frühen Sonntagmorgen gewaltsam aus ihren Wohnungen abgeholt und durch die Stadt zur Großmarkthalle getrieben. Im östlichen Kellerbereich der Halle mussten sie die Schlüssel zu ihren Wohnungen sowie eine Vermögenserklärung abgeben, Leibesvisitationen über sich ergehen lassen und 50 Reichsmark für den Transport zahlen. Anschließend wurden sie in einen mit Matratzen ausgelegten Kellerraum gezwungen, um auf den Abtransport zu warten. Am Morgen des 20. Oktober verließ der Zug der Deutschen Reichsbahn das Areal der Großmarkthalle und fuhr in das Getto Lodz.

Bereits drei Wochen später, am 11. November 1941, führte die Geheime Staatspolizei am selben Ort auf die gleiche Weise die zweite große Deportation durch – der Transport ging jetzt in das Getto Minsk. Es folgten bis Mitte September 1942 acht weitere Massendeportationen. Innerhalb von elf Monaten wurden mehr als 10.000 als jüdisch Verfolgte aus Frankfurt verschleppt. Nur sehr wenige überlebten die Shoah.

In regelmäßigen Abständen bis zum Frühjahr 1945 folgten weitere kleinere Deportationen. Die Betroffenen waren häufig jüdische Partnerinnen und Partner aus konfessionell gemischten Ehen oder deren Angehörige, Konvertierte sowie Jüdinnen und Juden nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, die bislang von den Transporten verschont geblieben waren. Die Züge verließen Frankfurt nun auch vom Haupt- oder Ostbahnhof.

Die letzten Deportationen in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt waren zum 14. Februar 1945 mit 301 und 15. März 1945 mit fünf Personen anberaumt worden. Elf Tage später erreichten US-amerikanische Truppen die Stadt. Sie befreiten weniger als 200 Jüdinnen und Juden, die versteckt in Frankfurt überlebt hatten.

Orte der Erinnerung im Frankfurter Stadtraum

Heute erinnern sowohl Gedenkplaketten an manchen Häusern wie auch Stolpersteine auf den Gehwegen an die Ermordeten und die aus der Stadt Vertriebenen. Mehrere Denkmäler im öffentlichen Raum würdigen zudem besondere Ereignisse, wie etwa die Kinderemigration, oder Persönlichkeiten, wie etwa den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Zwei Gedenkstätten widmen sich der Shoah. Die „Gedenkstätte Neuer Börneplatz“ erinnert an die Namen der als Juden ermordeten Personen mit einem Bezug zur Stadt Frankfurt, die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle hingegen an die Deportationen, an das Verbrechen vor Ort.

Shoah Memorial Frankfurt

In Erinnerung an mehr als 12.000 Menschen, die als Jüdinnen und Juden verfolgt und ermordet wurden.

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Ein Projekt der Bildungsagenda NS-Unrecht von Oktober 2021 bis Dezember 2022, gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF).

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